1. Personalauswahl
Kandidaten mit Integrationspotenzial finden.Der Grundstein für einen beiderseitig erfolgreichen und damit nachhaltigen Integrationsprozess wird bei der Identifikation und Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten gelegt. Dabei spielt nicht nur die fachliche Qualifikation eine entscheidende Rolle. Vor allem auch die individuelle Ausprägung von Kompetenzkriterien wie z.B. Belastbarkeit, Kooperationsbereitschaft und Lernfähigkeit sowie der persönliche Lebensentwurf - etwa der Wunsch, den Lebenspartner nachzuholen - müssen angemessen berücksichtigt werden. Für eine anforderungsbezogene Personalauswahl, die die Herausforderungen der Integration in den Vordergrund stellt, sind professionelle, systematische Methoden zur Bewertung und Einschätzung aller erfolgskritischen Faktoren unabdingbar.
Im Folgenden beleuchten wir zunächst die verschiedenen Ausbildungs- bzw. Studienwege, die in den Zielländern der Personalgewinnung für die Krankenpflege von Bedeutung sind. Eine Vergleichbarkeit mit den Inhalten der deutschen Ausbildungen im Gesundheitswesen wird in Hinblick auf die allgemeinen und spezifischen Anforderungsprofile untersucht. Insbesondere die Qualität und Ausrichtung der relevanten Abschlüsse sind von Bedeutung, und nicht zuletzt die Voraussetzungen für die Anerkennung in Deutschland als examinierte Pflegekraft.
Neben der fachlichen Qualifikation betrachten wir hier auch persönliche Faktoren wie Lebenssituationen, kulturelle Unterschiede und Erwartungen der Kandidaten. Sie bilden die Basis der Integration und sind daher im Vorhinein zu berücksichtigen.
Quellen:
- Fachkräfte sichern - Rekrutierung aus dem Ausland, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)
- Pflegelandschaft 2030, eine Studie der Prognos AG, im Auftrag der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., Stand: Oktober 2012
- Beschäftigte und Beschäftigungsstrukturen in der deutschen Pflege, Deutscher Pflegerat, Prof. Dr. Simon , FH Hannover, Dezember 2012
- Fachkräftemangel in Deutschland - Statistiken, Studien und Strategien, Verfasserin: Regierungsdirektorin Daniela Kolodziej, Deutscher Bundestag
- Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - BQFG
- "Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 35 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2515) geändert worden ist"
- "Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen - ein Europäischer Referenzrahmen", Europäisches Parlament
- aus Interviews, vor Ort Informationen, Kooperationspartner in den Ländern (Sprachschulen wie Recruitingpartner), Studien, Länderinformationen
a. Wie ist das Qualifikationsniveau verglichen mit einer deutschen Krankenpflegeausbildung und was bedeutet das für die regionale Ausrichtung der Personalgewinnung? Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
- Es gibt klare Unterschiede der Studieninhalten von Krankenpflegeausbildungen in den verschiedenen Herkunftsländern (medizinische Ausrichtung, Altenpflegeinhalte, akademische Ausbildung). Genauere Informationen dazu erhalten sie in unseren Länderstudien.
- Ein Vergleich von spezifischen Studieninhalten in den Herkunftsländern mit der deutschen Pflegeausbildung zeigt insgesamt, dass dort ein größerer Schwerpunkt auf die medizinisch-akademischen Inhalte gelegt wird.
- Die Kandidaten bringen nicht selten bereits Praxiserfahrung aus der beruflichen Tätigkeit in der Pflege mit. Berufseinsteiger sollten sich durch eigenes Engagement im Rahmen von Praktika und freiwilligen Einsätzen (z.B. non-profit Organisationen, Rettungsaktionen, Rotes Kreuz) berufsrelevante Erfahrungen angeeignet haben. Unsere Empfehlung ist es, diese Überlegungen in die Personalauswahl mit einzubeziehen.
- Eine Auflistung der erforderlichen Abschlüsse, die zu einer Anerkennung bei den zuständigen Behörden der Bundesländer führen liegt bei den Ländern vor. Für die Anerkennung der Abschlüsse aus den neueren EU-Mitgliedsstaaten gelten dabei noch besondere Vorschriften (Prüfungen, Praktika-Erfordernisse, Berufserfahrungen).
- Eine Vorprüfung gemäß der relevanten Anerkennungsverfahren im jeweiligen Bundesland (ZAV Prüfung, zuständige Landesbehörden) sollte in jedem Fall durchgeführt werden, da sich diese unterscheiden.
- Allgemein gelten für die Anerkennung in Deutschland folgende Mindestvoraussetzungen: EU-Aufenthaltsrecht, abgeschlossenes Studium in der Gesundheits- und Krankenpflege, die zur Anerkennung einer examinierten Pflegekraft in Deutschland führt (Richtlinien der Bundeslandbehörden), gesundheitliche Unbedenklichkeit und eine Vorlage der Zuverlässigkeitsprüfung (keine Vorstrafen).
b. Welche individuellen Kompetenzen sind für einen guten Start erfolgskritisch und welche sind ein Indikator für eine nachhaltige Integration?
- Das Kompetenzprofil der Bewerber sollte selbstverständlich bestmöglich dem Anforderungsprofil der Stelle entsprechen. Eine präzise und strukturierte Beschreibung der Anforderungen ist dafür sehr hilfreich. Auch spezifische Aspekte der Unternehmenskultur und der Patientenerwartungen spielen dabei eine wichtige Rolle.
- Neben den fachlichen Kompetenzen erleichtern bestimmte personelle, sozial-kommunikative und methodische Ausprägungen den Integrationserfolg. Im Rahmen der Auswertung verschiedener Pilotprojekte haben wir folgende Kompetenzen als besonders wichtig - ja sogar erfolgskritisch - identifiziert: Lernfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und Belastbarkeit
- Strukturierte (Kompetenz-)Anforderungsprofile können mit Hilfe von stärken- und kompetenzdiagnostischen Verfahren (wie z.B. KODE® oder der LIFO®-Methode) entwickelt werden. Dabei sorgt die Zusammenarbeit von Personalverantwortlichen, fachlichen Führungskräften und ggf. externen Experten für einen umfassenden Blick auf die zu besetzende Stelle. Die Kompetenzausprägungen der Kandidaten und Kandidatinnen können dann systematisch mit diesem Anforderungsprofil gematcht werden.
- Wie empfehlen den Abgleich von kompetenzdiagnostischen durch in die Thematik eingewiesene Psychologen (Integrationscoaches) schon im Entsendeland vorzunehmen. So entsteht eine verlässliche Prognose hinsichtlich der Integrationsreife und möglicher Entwicklungsfelder im Integrationsprozess.
- Insbesondere der vom Kandidaten vorgebrachte Masterplan (Zukunftsgestaltung in Deutschland) kann im Rahmen eines professionell strukturierten Zweitinterviews auf seine Plausibilität hin überprüft werden.
- Zu den erfolgskritischen persönlichen Faktoren gehört auch ein stabiler, plausibler Lebensentwurf des Kandidaten und der Kandidatin hinsichtlich der Migration. Dabei spielt die Planung der privaten sowie beruflichen Zukunft eine ebenso große Rolle wie die Gestaltung des sozialen Umfeldes, wie z.B. Planung den Lebenspartner oder Freunde nachzuholen, vorhandene Bekannte in Deutschland und auch Überlegungen zur Entwicklung des eigenen Freundeskreises.
c. Was sind die Rahmenbedingungen einer Auswanderungsentscheidung?
- Kandidaten haben erhebliche Ängste hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft, daher streben sie eine finanziell langfristig abgesicherte Existenz an.
- Gründe hierfür sind die Finanz- und Wirtschaftskrisen in Südeuropa, die erhebliche Einsparmaßnahmen im Gesundheitswesen nach sich ziehen. Dadurch gibt es für Absolventen auf viele Jahre hinaus keine Chance auf einen Einstiegs im gewünschten Beruf. Für entlassene Fachkräfte ist die Perspektive auf einen neuen Arbeitsplatz in der Pflege ebenso aussichtslos. Emigration ist die verbleibende Möglichkeit einer Sicherung der beruflichen und finanziell abgesicherten Existenz und Zukunft.
- Vor allem die (sprachliche) Vorbereitung und die Anfangszeit im Job stellen eine hohe Belastung für die Kandidaten dar, derer sie sich u.U. nicht bewusst sind. Unsere Empfehlung ist daher, die große Herausforderung und die Erwartungen des Arbeitgebers klar zu formulieren. Ein Bekenntnis zu persönlicher Entwicklung und ein klares Statement, eine hochbelastende Entwicklungsphase (sechs Monate parallel lernen und arbeiten) durchleben zu wollen, sollten Teil des Einstellungsprozesses sein.
- Mit der Idee, in Deutschland zu arbeiten und zu leben, gehen besonders in südeuropäischen Ländern sehr hohe Erwartungshaltungen bzgl. des Lebensstandards einher. Die Emigrationshistorie unterscheidet sich stark von der in osteuropäischen Ländern. Die teilweise unrealistischen Erwartungen der Kandidaten sollten bereits im Herkunftsland diskutiert und mit realistischen Perspektiven abgeglichen werden, da sie andernfalls zu Enttäuschungen führen.
d. Welche Erwartungen haben die Kandidaten an ihr neues Leben/ihre neue Arbeitsstelle?
- Ein stabiler Arbeitsplatz und ein verlässliches Einkommen sind die Haupterwartungen.
- Die bereits angeführte sehr große oder unrealistische Erwartung an den eigenen Lebensstandard bezieht sich insbesondere auf das tatsächlich verfügbare Einkommen in Deutschland. Informationen (z.B. eigene Haushaltskalkulation) im Vorfeld helfen Enttäuschungen zu vermeiden und damit den Integrationsprozess von Anfang an zu stabilisieren.
- Die deutsche Arbeitskultur wird anfangs bezüglich ihrer effizienten betrieblichen Abläufe als eher fremd wahrgenommen (geringerer Anteil der echten Betreuung der Pflegebedürftigen). Es ist hilfreich, mit Hilfe von Tätigkeitsbeschreibungen hierauf schon im Herkunftsland einzugehen und die kulturellen Unterschiede bezüglich der Pflege zu erklären.
- Eine angemessene Wohnsituation (Nestbau, Rückzugsbereich) ist für alle Kandidaten und Kandidatinnen ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. In der Anfangszeit sind die Kandidaten bereit, eine Unterbringung in Stiftungen, Schwesternheimen und Boardinghäusern in Kauf zu nehmen. Richtig angekommen fühlen sie sich allerdings erst, wenn sie ihre eigene Wohnung bzw. Wohngemeinschaft beziehen.
- Die Feststellung der Erwartungshaltungen der Kandidaten und Kandidaten sollte durch psychologisch geführte Interviews festgestellt werden. Aus den Ergebnissen lässt sich strukturiertes Erwartungsmanagements ableiten (Anforderungen Arbeitgeber, Lebenswirklichkeit), in dem der Realitätsbezug hergestellt wird und die Entscheidung zur Migration bestärkt werden kann.
e. Welche vertrauensbildenden Maßnahmen im Herkunftsland bestärken die Kandidaten in ihrer Migrationsentscheidung?
- Ein Vorvertrag, eine Stellen- und Tätigkeitsbeschreibung (deutsch/spanisch) schaffen ein Grundfundament der Sicherheit
- Der Vorvertrag sollte alle wesentlichen Punkte des Hauptvertrages beinhalten, aber auch durch die Notwendigkeit des Bestehens der Sprachprüfung einen Leistungsanreiz vermitteln
- Die Kontaktaufnahme mittels eines Skype Interviews oder eines persönlichen Gespräches im Herkunftsland, sowie das Angebot eines Praktikum in Deutschland (z.B. 1 bis 2 Wochen in einer Einrichtung) stärken die Zuversicht des Kandidaten hinsichtlich seiner Identifikation mit seinem neuen Arbeitgeber
- Ein wesentlicher Aspekt besteht in der deutlichen Herausarbeitung eines notwendigen Beziehungswandels von der Familie und Freunden im Herkunftsland zur Peergroup und zu neuen sozialen Kontakten